Mittelmeer-Törn - Vom pulsierenden Leben an der Costa Smeralda in die Einsamkeit der korsischen Berge
Von Bruno Herpich
Die Straße ist ähnlich kurvenreich wie die junge Dame hinterm Steuer desKleinbusses. Sie fährt einen heißen Reifen, kennt die Strecke in- undauswendig und bringt uns traumwandlerisch sicher in den Yachthafen Portiscoauf Sardinien, nur wenige Kilometer vom Flughafen Olbia entfernt, auf demwir - sieben Frankenwäldler und ein Niedersachse, allesamt Mitglieder desClubs Maritim Klabautermann Bad Steben - vor kurzem aus München kommendgelandet sind.
Für die nächsten Tage ist die "Alya" unser zu Hause, eine14-Meter-Yacht, mit der wir am andern Morgen in See stechen. Eine Woche langlassen wir uns den warmen Mittelmeerwind um die Nase wehen und fühlen unshinterher ein bisschen wie einst Christoph Kolumbus, der den Seeweg nachIndien suchte und dabei Amerika entdeckte. Uns ergeht es ähnlich: Wir(be)suchen Sardinien und "entdecken" Korsika.
Bei der Haute Volee
Doch zunächst tauchen wir in die Welt der Schönen und Reichen ein. DasSynonym dafür heißt Costa Smeralda. Dieser Name ist Programm. SmaragdgrünesWasser, unzählige Buchten mit feinen Sandstränden, eigenwilligeFelsformationen und eine üppige Vegatation lassen schon bei der Einfahrt inden Hafen von Porto Cervo, dem touristischen Mittelpunkt der "Smaragdküste",erahnen, warum sich hier die Haute Volee so wohl fühlt. Porto Cervo ist zumgrößten Teil aus Natursteinen erbaut. Seine vielen Bögen und Dekorationenaus heimischen Materialien bewahren den ursprünglichen Charakter. DieGebäude passen sich der Landschaft an, weshalb auch schon mal von der"unsichtbaren Stadt" gesprochen wird.Entdeckt und in ein nobles Urlaubsziel verwandelt hat diesen Küstenstreifenim Nordosten Sardiniens Ismaeliten-Prinz Aga Khan IV. in den 60er Jahren des20. Jahrhunderts. Aus einem verarmten Landstrich, der von einigenSchafhirten bewirtschaftet wurde, entstand ein wahres Paradies - für dieReichen dieser Welt. Die astronomischen Preise in den Auslagen der mondänenGeschäfte sind dafür ebenso beredte Zeugen wie die millionenschwerenYachten, in deren Mitte wir uns ziemlich verloren vorkommen.Die Küste Sardiniens hat aber viel mehr zu bieten. Zahllose kleine Inseln,die ihren ursprünglichen Charakter bewahrt haben, bilden einen wohltuendenKontrast zum luxuriösen Vorzeigestreifen Costa Smeralda. La Maddalena zumBeispiel, der beschauliche Hauptort der gleichnamigen Inselgruppe, mit engenGassen, urigen Kneipen, einladenden Cafes und freundlichen Polizistinnen.2009 könnte es für einige Zeit mit der Beschaulichkeit vorbei sein, dannnämlich, wenn - wie geplant - sich die Großen dieser Welt zum G-8-Gipfelhier treffen.
Zu neuen Ufern
Doch das ist Zukunftsmusik. Hier und heute genießen wir bei einemausgiebigen Frühstück auf der Hafenpromenade das besondere Flair, bevor wir"einen der schönsten Flecken der Erde" - wie Italiens Ex-RegierungschefRomano Prodi La Maddalena gepriesen hat - verlassen, um im wahrsten Sinn desWortes zu neuen Ufern aufzubrechen. Wir nehmen Kurs auf Korsika, verlassenitalienisches Hoheitsgebiet und steuern französische Gefilde an.Bis Bonifacio, am südlichen Zipfel Korsikas, ist es nur ein Katzensprung.War die Überfahrt mit Badestopp und "Rotwein-Party" mitten im MeerEntpannung pur, so verlangt das Anlegemanöver im Naturhafen von Bonifacio amEnde eines etwa anderthalb Kilometer langen Fjords das ganze Können vonSkipper Hermann Gölkel und seiner Crew. Doch schon allein der atemberaubendeAnblick der am Rand von 60 Meter hohen, steil ins Meer abfallendenKalkfelsen liegenden Altstadt mit ihrer mächtigen Zitadelle entschädigt füralle Anstrengungen.Auf der Weiterfahrt nach Porto Vecchio, dem drittgrößten Hafen Korsikas,kündigt sich stürmisches Wetter an. Eine "steife Brise von achtern" - unddie 14-Meter-Yacht "Alya" gleitet mit bis zu neun Knoten durch diemeterhohen Wellen. Für den nächsten Tag ist auf See Sturm angesagt. Einegute Gelegenheit, an Land zu bleiben und sich die Heimat Napoleons einmalnäher anzuschauen. Der Ausflug mit dem Pkw ins Landesinnere wird zum beeindruckenden Erlebnis.Denn der Reiz Korsikas lässt sich nicht auf belebte Badestrände reduzieren.Korsika - das heißt auch und vor allem: Berge bis zu 2700 Meter hoch undEinsamkeit. Diese Abgeschiedenheit wird spürbarer, je höher wir kommen. Nurwenige Touristen begegnen uns in dieser dünn besiedelten Gebirgsregion.Langweilig ist es deshalb jedoch nicht. Im Gegenteil - die Landschaft hältviele Überraschungen und Sehenswürdigkeiten bereit. Sei es ein riesigerausgetrockneter Bergsee, tosende Wasserfälle, ausgedehnte Wälder, tiefeingeschnittene Schluchten oder verträumte Örtchen. Die Eindrücke diesesTages sind so vielfältig, dass sie noch an Bord der Alya abendfüllendenGesprächsstoff bieten.
Königliche Überraschung
Am nächsten Morgen nehmen wir wieder Kurs auf Sardinien. Dort wartet nocheine königliche Überraschung auf uns. Im Hafen von Portisco, wo unser Törnbegann und nun auch wieder endet, platzen wir mit unserem Anlegemanövermitten hinein in eine militärische Zeremonie: Wachablösung undFlaggenparade. Des Rätsels Lösung: Vor uns liegt die "K/S Norge", das Schiffdes norwegischen Königshauses mit König Harald an Bord, der in den Gewässernvor Sardinien an einer Segelregatta teilnimmt. Die "Norge" mit ihren 1628Bruttoregistertonnen und rund 80 Metern Länge dient ihm dabei als"Basislager". Während die "Blaublütigen" auf dem Wasser noch um Sieg und Pokalewetteifern, wechseln wir bereits das Element und gehen in die Luft:Rückflug. Zeit genug, Abstand zu gewinnen von Sardinien, von Korsika, vomLeben an Bord - und schon wieder den nächsten Törn ins Auge zu fassen.
Bildtext: Der Anblick entschädigt für so manche Strapaze auf See: die Altstadt vonBonifacio mit ihrer mächtigen Zitadelle.